Samstag, 30. November 2013

Lasst gut sein, Genossen ...

Gedanken am Vorabend der dritten Großen Koalition

Die dritte Große Koalition in der deutschen Geschichte wirft ihre Schatten voraus. Sie wird einigermaßen tun, wozu die meisten Deutschen die sie tragenden Parteien gewählt haben: Kleinere Schönheitsreparaturen vorzunehmen an der Fassade der Wirtschaftswunderlandes und ansonsten alles zu lassen, wie es ist. Der Zukunft des Landes wird es nicht gut tun.

"Die große Stagnation" titelt die englische Wochenzeitung Economist – in deutscher Sprache. Und in der Unterzeile heißt es: „Germany’s proposed new government is set to turn the motor of Europe into a slowcoach.“ Bekanntermaßen kritisiert das britische Magazin mit Sitz im Bankenzentrum Londons, das als eines der einflussreichsten Wirtschaftsmedien der Welt gilt, nicht erst seit gestern die deutsche Krisenpolitik. Regelmäßig tauchen in seinen Leitartikeln die Forderungen nach stärkerem finanziellen Engagement Deutschlands in der Euro-Zone: Schaffung von Euro-Bonds, gemeinsame Haftung von Staatsschulden und Zustimmung zu einer vollständigen Bankenunion.

Diesmal geht es um mehr: Die Analyse lässt kaum eine Schwachstelle der deutschen Innenpolitik aus – bis hin zu den maroden Autobahnbrücken. Man muss nicht die wirtschaftsliberale Meinungsrichtung teilen, um zu sehen, dass der Befund im Ganzen stimmt. Es gibt Grund, sich Sorgen zu machen am Vorabend der dritten Großen Koalition. Die beiden großen konservativen Politikströmungen finden einmal mehr zusammen. Beim ersten Mal half dies immerhin, die Erstarrung der Adenauer-Republik aufzubrechen und der neuen Ostpolitik den Weg zu bereiten. Die zweite Große Koalition unter Merkel tat nicht viel mehr, als die neoliberale Linie der Schröder-SPD weiterzuführen.

Wo ist die Politikwende der SPD?

Die vereinbarte dritte Zusammenarbeit von Union und Sozialdemokratie steht unter einem viel schlechteren Stern. Sie folgt der klaren Grundsatzentscheidung: Alles bleibt im Wesentlichen wie es ist – nur den Ärmsten im Land helfen wir mit den Mindestlohn 8,50 (vielleicht) flächendeckend ab 2018 und einigen Verbesserungen der Rente beim Überleben. Nicht, dass dies zu verachten wäre – nur zukunftsgestaltende Politik ist es nicht. Von einer Union, die kaum noch eigenständige Programmatik hat und im Wahlkampf nur versprach, die Steuern nicht zu erhöhen und den Haushalt zu konsolidieren, hatte niemand Zukunftsideen erwartet. Aber wo ist die Politikwende der SPD?

Klassische Industriepolitik statt Netzpolitik, Kohlekraftwerke statt neuer Energien fördern, nationalistische Wettbewerbspolitik statt europäischer Perspektive, Maut statt entschlossener Umgestaltung des Steuersystems und die Bildung fällt sowieso hinten runter! Von der Union über den Tisch gezogen? Solch oberflächliche Leitartikelbefunde führen weg vom Problem. Die SPD hat sich nicht durchgesetzt, weil sie nicht an neue Wege glaubt und keine Argumente hat. Die Alternativlosigkeit, mit der Merkel ihre Politik begründet, hat sich längst ins Unterbewusstsein der Sozialdemokraten eingefressen. Sie haben längst das nationalistische Dogma von der Wettbewerbsfähigkeit verinnerlicht, wettern gegen die mafiösen Machenschaften der Banken und die Menschenverachtung der Wirtschaftslobby in dem Gefühl, dagegen im Grund eh nicht viel tun zu können. Da kommt die Verweigerungshaltung den anderen konservativen Partei gerade recht, um das Gesicht zu wahren.

Das Problem der SPD ist erstens ein demografisches, und zweitens ein allgemein-menschliches. Das demografische besteht darin, dass die Hälfte der SPD-Mitglieder über 60 Jahre alt ist und die Welt nicht mehr versteht – wie auch die meisten Funktionäre und Mandatsträger, für ihre Wähler gilt vermutlich nicht viel Anderes. Das allgemein menschliche Problem besteht darin, dass es den Deutschen immer noch recht gut geht, auch nachdem die Masse seit vielen Jahren mit sinkendem Wohlstand die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und den Reichtum einer Minderheit subventioniert hat. Sie möchten erstens, dass das so bleibt und zweitens, dass Deutschland weiterhin Wirtschaftsmacht und den meisten anderen Nationen überlegen bleibt. Dann hat noch der Hartz-4-Empfänger immerhin das stolze Gefühl, etwas Besseres zu sein als der Grieche, der Italiener oder gar die Leute vom Balkan. So wurde schon im Kaiserreich Politik gemacht, und es funktioniert auch heute noch – der Doppelpass ändert nichts daran.

Nichtstun ruiniert Chancen

Da unterscheidet sich die SPD nicht allzu sehr von der Union, und Parteien machen nun einmal Politik für ihre Mitglieder und die potenzielle Wählerschaft, die ganz ähnlich denkt und fühlt. Demokratietheoretisch ist das nicht zu beanstanden. Leider führt es dazu, dass Sozialdemokraten sich jetzt daranmachen, gemeinsam mit der Union die Entwicklung Europas zu bremsen, es vielleicht komplett zu ruinieren – die einzige Chance, die wir hätten, bevor uns China, USA, Sowjetunion als Wirtschafts- und Handelsnation plattmachen. Gemeinsam mit der Union kehren sie die Energiewende um, bremsen die Klimapolitik, ebenso die Netzpolitik und gehen weitere Schritte in Richtung Überwachungsstaat.

Politikwende funktioniert offenbar kaum über Aufklärung und rationale Politikgestaltung, sondern als Notoperation im Gefolge der unweigerlich heraufbeschworenen Krisen, falls es dann nicht zu spät ist. Den vielen, die sich aufklärerisch mühen in der SPD, den vielen Kritikern, die sich abarbeiten an der guten alten Tante SPD, von der sie im Grunde ihres Herzens mehr erwarten, muss irgendwann klar werden, dass sie einen halbtoten Gaul wieder zu dem stolzen, starken Ross machen wollen, das es einstmals war. Das wird nicht funktionieren.

Diese Partei hatte nicht per Zufall einen in der Wolle gefärbten Neoliberalen zum Kanzlerkandidaten gemacht. Und Gabriel macht nun weiter, wo Schröder aufgehört hat. Vielleicht sind 150 Jahre Sozialdemokratie wirklich genug. Denn die junge Garde von Sozialdemokraten, die noch radikal denken und eine Wende herbeiführen könnten, ist so schwach, dass es wehtut, sie anzuschauen. Eine neue politische Kraft wird gebraucht.

Samstag, 23. November 2013

Social-Media-Skepsis bremst Innovation in den Unternehmen

Netzpolitik ist ein Thema, das dem Bürger nichts sagt und den meisten Politikern auch nicht. Niemand fühlt sich berufen, die komplizierte Materie auch nur so zu formulieren, dass sie verständlich wird. Das sollte sich ändern, denn die verbreitete Ignoranz gegenüber Social Media bremst die Entwicklung von Social Business und Industrie 4.0 in den Unternehmen – das könnte sich böse rächen.

„Facebook-Nutzer fühlen sich einsam und frustriert“, titelte Focus. „Nutzer, die häufig im Netzwerk unterwegs und, werden schnell dick und machen mehr Schulden mit ihren Kreditkarten als normale Konsumenten“, so eine Meldung, mit der Forscher einer völlig unbekannten Universität in der amerikanischen Provinz hierzulande zu kurzlebiger Publicity kam. Wie seriös solche Meldungen sind, fragt kaum ein Journalist, passt sie doch vorzüglich in sein eigenes Weltbild. Social Media ist Teufelszeug, das journalistisches Selbstverständnis ankratzt und auch noch die Arbeitsplätze in den Redaktionen bedroht. Menschlich verständlich also, dass der Focus der Medien mit den Stichworten unzureichender Datenschutz, NSA-Spionage, illegale Downloads, Mobbing, Abzocke und Betrügereien im Netz ziemlich abschließend beschrieben ist.

Bei der Kundschaft kommt das gut an, denn mit den immer noch als neu geltenden Kommunikationswegen fremdeln die Deutschen. Bei der Internetnutzung ganz generell landet Deutschland noch auf einigermaßen vorderen Plätzen der fast 200 Staaten dieser Welt, auch wenn selbst einige Länder, die wir als Entwicklungsländer sehen, auf dem einen oder anderen Gebiet vorbeiziehen. Trübselig kann stimmen, was die Leute mit ihrem inzwischen meist vorhandenen Breitbandanschluss machen. Sie kaufen bei Amazon, überweisen online und schreiben E-Mails. 46 Prozent verweigern sich nach eigener Aussage dem sozialen Web. 42 Prozent der Internetnutzer verfassen nach einer Eurostat-Erhebung Mitteilungen in sozialen Netzwerken, beim europäischen Spitzenreiter Portugal liegt der Anteil bei 75 Prozent. Deutschland bildet zusammen mit Tschechien und Frankreich, wo 35 beziehungsweise 40 Prozent der Surfer auf Facebook, Google+, Twitter und Co. aktiv sind, das Schlusslicht bei der Nutzung der sozialen Medien.

Kulturell bedingtes Defizit

Skepsis und Ablehnung ist nicht Schuld der Medien. Die Deutschen eint so etwas wie eine kulturell geprägte kollektive Wahrnehmung, Journalisten unterscheiden sich da kaum von Lehrern, Maschinenbauingenieuren oder Juristen. Wenn Zeitgenossen, die als Intellektuelle gelten, über den Tsunami der Belanglosigkeiten in den Sozialen Netzwerken salbadern, mit dem sie jede Berührung meiden, müssen sie nicht fürchten, sich ob ihrer Ignoranz zu blamieren. Die Unwissenheit reicht bis dorthin, wo angeblich die Zukunft gemacht wird – in die Politik. Man könnte schmunzeln darüber, dass Volksvertreter, die mit netzaffinen Bürgern über entsprechende Wege kommunizieren, immer noch Paradiesvogelstatus haben. Leider ist es aber auch Indiz dafür, dass die politische Klasse die neue technische Revolution nicht richtig erfasst hat.

Die netzpolitische Bilanz der letzten Bundesregierung gilt zu recht als Desaster. In den vier Jahren, in denen SocialMedia-Plattformen wie Facebook und Twitter ihren Durchbruch erlebten, mit Tablets und Smartphones das mobile Internet zum Massenmarkt wurde, das Streaming seinen Platz im digitalen Medienangebot eroberte, Cloud Computing und Big Data zu großen wirtschaftlichen wie politischen Schlagworten wurden – in diesen vier Jahren gelang hierzulande nur die Durchsetzung des „weltweit sinnlosesten Internetgesetzes“ (Sascha Lobo), des Leistungsschutzrechts. Bei der Infrastruktur ist Deutschland weiter zurückgefallen. Andere Länder haben in dieser Zeit z. B. mit Milliardenförderung die Glasfasernetze vorangebracht, in der Erkenntnis, dass die Netzbetreiber das nur schaffen, wenn sie sich auf so schädliche Weise wie durch Aufkündigung der Netzneutralität zusätzliche Einnahmen verschaffen.

Infrastruktur kümmert vor sich hin

Die Politik bewegt sich in Schlagworten und lässt die Infrastruktur vor sich hin kümmern. Bei der Breitbandvernetzung landet Deutschland nach dem Jahresreport der Internationalen Fernmeldeunion gerade noch unter den ersten zehn, beim mobilen Internet aber mit Platz 40 weit abgeschlagen noch hinter Kasachstan. Die sich anbahnende Große Koalition verspricht ein Programm, um die Breitbandvernetzung voranzubringen – die angepeilte Versorgung mit 50 Mbit/s bis 2018 entspricht schon jetzt nicht mehr dem Stand der Dinge und zur Finanzierung gibt es kein Wort. Die einmal angepeilte Summe von einer Milliarde pro Jahr, ohnehin viel zu zaghaft, ist aus den Koalitionsplänen verschwunden.
Wie passt das zu Sätzen wie diesen? „Deutschland muss Vorreiter der Industrie 4.0 sein, denn wir bauen auf eine starke Industrie mit breiter Wertschöpfung“, sagt Christiane Krajewski, vor der Wahl Mitglied im Kompetenzteam von Peer Steinbrück. „Deutschland wird dadurch seine Führungsrolle im produzierenden Gewerbe behaupten und ausbauen“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP vom Juni 2013. Die deutsche Ausrüsterindustrie soll weiter als Leitanbieter für intelligente Produktionstechnologien den Weltmarkt anführen. Als entscheidendes Stichwort dafür gilt in der Politik der Begriff „Industrie 4.0“: Sie gilt als Ausgangspunkt für die Schaffung neuer intelligenter Produkte, die „u.a. durch die Verknüpfung mit wissensintensiven Dienstleistungen mit hohem Mehrwert und hoher Attraktivität für Kunden und Nutzer verbunden sind. Ziel ist es, neue Leitmärkte zu gestalten und zu bedienen“. Das Thema Social Media taucht allenfalls in negativen Zusammenhängen auf, mit Industrie 4.0 bringt man das gar nicht zusammen. Offenbar operieren Menschen, die eigentlich steuern und gestalten sollen, mit nur halbwegs verstandenen, für den Bürger unverständlichen Schlagworten.

Industrie 4.0 rein technisch begriffen

Der Begriff Industrie 4.0 ist Chiffre für die vierte industrielle Revolution, die bereits ihren Lauf nimmt. Eine Reihe technischer Entwicklungen treffen mit heftigen Auswirkungen zusammen: Im sogenannten Internet der Dinge werden reale Produkte oder Produktionsverfahren per Netzwerk verbunden und tauschen eigenständig Daten aus. Dramatisch wird dies dank eines Entwicklungssprungs der Sensorik. Immer mehr und intelligentere „Fühler“ häufen Datenberge auf über den Zustand einer Maschine und ihre Umwelt. Intelligent bedeutet: Die Sensoren übermitteln nicht nur elektronische Signale, sie können miteinander kommunizieren, aus der Fülle der Daten Schlussfolgerungen ziehen und an zentrale Steuereinheiten weiterreichen. Fertigungsmaschinen können so benötigte z. B. Materialien selbstständig aus dem Lager anfordern und ggf. über das Internet beim Zulieferer nachordern.

Dabei fallen so unvorstellbare Datenmengen an, dass sie mit herkömmlichen relationalen Datenbanken und Statistik- und Visualisierungsprogrammen unmöglich zu erfassen, zu speichern und auszuwerten sind. Ein weiteres Stichwort heißt daher „Big Data“: die Analyse der Datentsunamis nach neuartigen mathematischen Verfahren, mit denen sich sich Berechnungen parallelisieren und auf mehrere Rechner verteilen lassen. Nur so können mit atemberaubender Geschwindigkeit Schlussfolgerungen von höchst praktischer Bedeutung generiert werden. Bei zeitkritischen Prozessen wie der Betrugserkennung in Echtzeit oder der Sofortvermarktung über mehrere Kanäle hinweg braucht es die Echtzeitanalyse, um einen nachweisbaren Vorteil für das Unternehmen zu erzielen. Unternehmen auf der ganzen Welt können durch Big Data den Service für ihre Kunden verbessern und die betrieblichen Abläufe optimieren.

Alles dies zusammen führt zu einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der Wertschöpfungskette über den Produktlebenszyklus hinweg - von Konzeption und Design des Produkts über die Fertigung bis hin zu Kundendienst und Rücknahme bzw. Recycling. Den Unternehmen erwachsen ganz neue Möglichkeiten, ihre Tätigkeit zu optimieren – unter Kosten- und Effizienzgesichtspunkt, aber auch im Sinne von mehr Flexibilität. Blitzschnell lassen sich Fertigungen einer schwankenden Nachfrage anpassen, Produkte und Dienstleistungen mühelos auf immer individuellere Kundenwünschen einstellen bis hin zu einer industriellen Einzelanfertigung.

Ohne menschliche Arbeit geht nichts

Ein Thema also, bei dem Wirtschaftslenker und Politiker gerne ins Schwärmen kommen. Leider vergessen viele ein unverzichtbares Element: Wenn Maschinen kommunizieren und vieles eigenständig regeln, wird der Mensch nicht überflüssig. Industrie 4.0 wird nicht die menschenleere Fabrik bringen. Die viel beschworenen Cyber-Physische-Systeme (CPS) verbinden die virtuelle Cyberwelt nicht nur mit Objekten in der real-physischen Welt, sondern in letzter Instanz mit Menschen, ohne deren Richtungsentscheidungen das Zusammenspiel von Maschinen und Anlagen jedenfalls noch nicht vorstellbar ist. Erst diese Verbindung schafft jene dynamischen, echtzeitoptimierten und sich selbst organisierenden Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.

Produktionsarbeit wird auch in Zukunft von menschlicher Arbeit geprägt sein. Diese kann aber nicht in herkömmlicher Weise über hierarchisch gestaffelte Befehlsketten eingebunden werden - das wäre viel zu langsam und mit viel Reibungsverlust verbunden. Wenn Social-Media-Funktionalitäten durchgängig für kooperative betriebliche Entscheidungen genutzt werden, können – besser gesagt: müssen sich interaktive Führungsmethoden entwickeln, die den Mehrwert mobiler Informations- und Kommunikationstechnik erschließen. Nur so werden die menschlicher Sinneswahrnehmungen ausgeschöpft, die den Informationsfluss technischer Sensoren durch Informationen aus dem Umfeld ergänzen. Und nur auf dieser Grundlage ist das „PatchWork“ als neuer Form hochflexibler, zeitlich, räumlich und inhaltlich verteilter Arbeit denkbar, das Multi-Job-Verhältnisse, eine sinnvolle Nutzung von Leerlaufzeiten und bedarfsgerechte „Arbeitszeit-Patches“ ermöglicht.

Neue Formen von Kommunikation und Kooperation

„Der Einsatz von unternehmenseigener Social Software“, heißt es im BVDW-Leitfaden Enterprise 2.01 dient vor allem der Schaffung dialogischer, transparenter und inklusiver Prozesse, die eine Organisations- und Führungskultur ermöglichen, mit deren Hilfe bisher verborgene Effizienz-, Wissens- und Innovations­ressourcen zur Steigerung der Unternehmensperformance nutzbar gemacht werden können.“ Social Business erhöhe die Produktivität und Effizienz der Mitarbeiter und es beschleunige Innovationen, heißt es in einem Untersuchungsbericht des IBM Institute for Business Value. Das bestätigt auch eine Studie von McKinsey, wonach sich durch Social Business Produktivitätsverbesserungen von 3 bis 11 Prozent ergeben.

Software an sich macht Kommunikation und Kooperation nicht besser, die Menschen müssen das mit Hilfe der Software tun. Es geht um eine neue Art des Managements, der Kommunikation und Kollaboration, um ein dynamisches Set an Kommunikationsinstrumenten, die mit dem herkömmlichen Begriff „Medien“ nicht hinreichend beschrieben sind. Menschen, die sich an ihre E-Mail-Kommunikation klammern und gegenüber jeder Form von Web-2.0-Plattformen fremdeln, werden das nicht umsetzen. Das bekamen alle Unternehmen zu spüren, die als Vorreiter Social-Media-Plattformen einführten. Die Blockade beginnt bereits im Management, wo die Angst vor Kontroll- und Machtverlust umgeht. Und die Masse der Mitarbeiter lässt weder gern von alten Gewohnheiten noch sieht sie ein, sich den Risiken einer Dialogkommunikation auszusetzen, der sich die Chefs entziehen.

Die Menschen müssen Veränderung wollen

Enterprise 2.0 entsteht nicht schon dadurch, dass im Unternehmen Web 2.0 Werkzeuge verfügbar sind. Die ist bisher nicht in Sicht. Nicht nur die netzaffinen Führungskräfte der nächsten Generation sind für den Kulturwandel notwendig, sondern auch die Fachkräfte, die nicht mühsam auf den Gebrauch einer unternehmensinternen Social-Media-Plattform gedrillt werden müssen, sondern Lebenserfahrung aus dem eigenen Umgang mit dem Netz bereits mitbringen und den Nutzen sehen. Gewiss kann das die Politik nicht alleine richten, aber gefragt ist sie doch. Politiker, denen beim Thema Internet zwanghaft nur Vorratsdatenspeicherung und Überwachung einfällt, tragen Mitschuld an der negativen Einstellung. Da helfen dann auch Ausbaupläne für das Netz nicht. Auch 100 Gbit/sec am Rechner des letzten Deutschen würden nicht den Durchbruch bringen, solange Politik und Eliten nicht die Akzeptanz für die gesellschaftliche Veränderung vorleben, die mit dem Web 2.0 einher gehen.

Da kann Dieter Kempf, Präsident des Branchenverbands Bitkom, lange predigen. Die Netzpolitik gehöre mit ins Zentrum des nächsten Regierungsprogramms. Nicht zufällig findet sich unter den Forderungen der Wirtschaft neben Sicherheit und Datenschutz, dem Netzausbau und der Förderung von Start-ups auch die Modernisierung des Bildungswesens. Tatsächlich werden es Netzpolitiker nach den Ergebnissen der Bundestagswahl noch schwerer haben, sich igegen andere Interessen durchzusetzen. Die Wähler haben schließlich entschieden, dass ihnen ganz andere Dinge wichtig sind. Ihnen ist kaum vorzuwerfen, dass sie die Netzproblematik nicht sehen, geschweige denn verstehen, den Eliten und der Politik aber sehr wohl. Weit und breit ist ja niemand in Sicht, der den Bürgern die Welt erklärt, die sich in so kurzer Zeit so drastisch verändert hat, dass auch höhere Bildung und gestandenes Erfahrungswissen nicht Schritt halten helfen.

Freitag, 22. November 2013

Ein Nachruf auf die Tageszeitung, wie wir sie liebten
Journalismus stand wirtschaftlich noch nie auf eigenen Füßen. Er ist eben nicht nur ein Phänomen der bürgerlichen Emanzipation, die in liberalen und demokratischen Verhältnissen mündete. Untrennbar damit verbunden ist die andere Seite der Medaille: das Geschäftsmodell Tageszeitung. Und das verdankt sich der Entwicklung lokaler, regionaler und nationaler Massenmärkte, in denen die werblichen Zugänge der Produzenten zu ihren Kunden ein knappes und damit teures Gut waren. Selbst bester Journalismus kann das nicht ins Internet-Zeitalter herüber retten. Wenn hochwertiger Journalismus für unsere Gesellschaft und wichtig bleibt, muss diese für eine Finanzierungsgrundlage sorgen. Der Markt wird es nicht tun.
Es muss auf einem Zeitungskongress in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts gewesen sein. Ich sehe den Kollegen noch vor mir – seinen Namen habe ich vergessen. „Die Zeitung wird es immer geben, weil man mit einem Computer auf der Terrasse keine Wespe totschlagen kann.“ Der Beifall durfte tosend genannt werden. Kein Mensch wollte sich ernsthaft auf den Gedanken einlassen, vom Internet könnten Gefahren für die blühende Printmedienlandschaft ausgehen.
Jenseits der Illusionen
Viele Zeitungskongresse später liegt das Kind im Brunnen. Nach den ersten spektakulären Zeitungspleiten sind die Angehörigen der Branche um manche Illusion ärmer, was aber nicht reicher an nüchterner Einschätzung der Realität. Verstanden haben die meisten, dass mit dem Rennen um die exklusive Nachricht kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist – nicht einmal im Lokalen. „Vielleicht ist die Zeitungskrise eher als Nachrichtenkrise zu sehen, die offline wie online wirkt: das Ende statischer Berichterstattung“, treibt Sascha Lobo den Gedanken auf die Spitze. Und es ist ja, auch wenn es als Analyse nicht reicht, durchaus etwas dran: Wenn Barak Obama selber twittert, er habe die Wahl gewonnen hat, sieht jedes Nachrichtenmedium alt aus. Nachrichten als Prozess statt Nachrichten vom Vortag – auch das will finanziert sein.
Um zu wissen, wohin die Reise geht, ist es hilfreich, einen Blick zurück zu werfen. Wo kommen die Tageszeitungen her? Bezeichnend für unser der geschichtsblindes Zeitalter, dass niemand diese Frage stellt. Wo es jetzt wieder hinzugehen scheint, hat einmal alles angefangen: Im Zeitalter der Aufklärung bis weit in 19. Jahrhundert hinein war Journalismus der brotlose Nebenerwerb von Amateuren. Die hätten gerne auch ihr Auskommen damit gehabt, aber weil es Geld nur wenig gab, nahmen sie gerne auch literarisches Renommé, politischen Einfluss und öffentliche Aufmerksamkeit. Das Interesse an der periodischen Presse war zunächst eine Sache des gehobenen Bürgertums, der gebildeten Stände – zu denen sich später allmählich aus die Elite des vierten Standes gesellten.
Presseprodukte im Abonnement waren teuer. Und so gab es Ende des 18. Jahrhunderts in den größeren Städten Lesegesellschaften, wohin sich interessierte Bildungsbürger begaben, um sich über die Zeitläufte auf dem Laufenden zu halten. Die Mainzer Lesegesellschaft bezog um 1790 stolze 24 politische Zeitungen, 23 gelehrte Blätter und 41 sonstige Periodika.
Die kommerzell-publizistische Mixtur Tageszeitung
Zum Massenmedium wurde die Zeitung, als der Staat die Idee aufgab, die Nachfrage von Industrie und Handel nach Werbemöglichkeiten per Anzeigenmonopol für die häufig staatlichen lokalen Anzeigeblätter („Intelligenzblätter“) in seine Kassen zu lenken. An deren Stelle treten die Generalanzeiger-Zeitungen, allen voran der 1845 in Leipzig erschienene „General-Anzeiger für Deutschland“, die Anzeigenerlöse wurden zur Haupteinnahmequelle. Weil gerade auch Papierpreise und Druckkosten sanken, wurden die Blätter oft kostenlos oder gegen ein kleines Zustellgeld abgegeben. Denn je größer Verbreitung und Reichweite, desto zahlreicher wurden die Inserenten. Genau deshalb präsentierte man sich auch als überparteilich und politisch neutral, als „Lokalanzeiger“ mit ausführlicher örtlicher Berichterstattung, lokalen Anzeigen und immer mehr unterhaltenden Elemente wie Fortsetzungsroman und Erzählungen.
Die übrigen Presse aber lernte schnell. Auch die Verbands- und Parteizeitungen, die politischen Kampfblätter kamen in den Genuss des rasch wachsenden Werbemarktes. Bald verzichtete kaum ein Periodikum noch auf die Einnahmequelle Anzeigen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland schon rund 3500 Zeitungen. Einen weiteren Schub brachte Anfang des 20. Jahrhunderts der Erfolg der neuen Boulevardpresse. Die elektronischen Medien Radio und später das Fernsehen beeinträchtigten die Reichweiten der Printmedien nicht – brachten sie doch nur knapp bemessene und darum teure Werberäume und kaum publizistische Konkurrenz.
Wie viel Anteil hat der professionelle Journalismus am Erfolg der Tageszeitungen? Schwer zu sagen, realistisch gesehen dürfte der Beitrag begrenzt gewesen sein. Journalismus war bald mehr, bald weniger wichtiger Teil der Mischung, die das Modell Tageszeitung ausmachte. Die Leser haben nie die Gestehungskosten für journalistische Inhalte gezahlt. Wofür sie einige Groschen hinzulegen geneigt waren, war die informativ-unterhaltsame Mixtur aus Anzeigen, Nachrichten aus der großen weiten Welt, Lokalberichten, bunten Lesegeschichten, behördlichen Mitteilungen und und und. Und der Nutzwert des Papiers zum Einwickeln, Fensterputzen und Ofenanzünden kam noch obendrauf.
Rezepte gibt es nicht
Deshalb ist einleuchtend, dass der Journalismus, ob als Qualitäts- oder als Entertainmentjournalismus, das Geschäftsmodell Tageszeitung nicht retten kann, wenn die restlichen Anteile der Mischung wegfallen oder an Attraktivität verlieren. Die Idee, dass eine ausreichende Zahl von Menschen überzeugt werden könnte, für die Oberheadkosten von Qualitätsjournalismus zu zahlen, ist recht weltfremd. Die wenigsten Leser sind in der Lage, sorgfältige journalistische Arbeit von gutem PR-Handwerk zu unterscheiden. Information und Unterhaltung sind kein knappes Gut mehr, sondern ein Tsunami, der die Aufnahmekapazität der meisten Menschen hoffnungslos überfordert.
Und deshalb sind die menschlich verständlichen Forderungen der um ihre Zukunftshoffnungen betrogenen Journalisten und ihrer Verbandsvertreter fernab jeder Wirklichkeit. Sie verlangen von den Verlegern, zu investieren und unternehmerisch kreativ zu sein, um „die Zeitung“ als Synonym für qualitativ hochwertigen Journalismus zu retten – ob in gedruckt der digitaler Form. Die Verleger haben keine Rezepte, heißt es anklagend. Richtig, nur die Journalisten auch nicht. Weil es sie nicht gibt. Weil ein ähnlich zugkräftiger Content-Mix, wie es neudeutsch heißt, online nicht zu reproduzieren und deshalb im Netz ein Zubrot, aber kein voller Ersatz für das Anzeigeneinkommen besserer Printzeiten zu erzielen ist. Schon deshalb, weil das Online-Werbeaufkommen sich auf eine ständig wachsende Zahl von Internetkanälen aufteilt.
Die Zukunft des Journalismus
Was wird also aus der Tageszeitung als Gattung? Es wird sie wohl, finanziert über steigende Copy- und App-Preise als Luxusmedium für die Älteren, die Gebildeten und die Wohlhabenden noch eine Weile geben. Die Frage ist, wie lang noch vom Massenmedium Zeitung gesprochen werden kann. Am längsten wohl noch bei dem einen oder anderen überregionalen Blatt. Nicht mehr allzu lange im Lokalen, obwohl sich dort eine ganze Reihe von Redaktionen mit bewundertswerter Kreativität und großer Entschlossenheit gegen die Entwicklung stemmen. Die Overheadkosten und Profiansprüche ihrer Unternehmen lassen ihnen kaum eine Chance. Es sieht danach aus, dass der generelle Trend in Richtung billig produzierter, PR-dominierten Lokalmedien geht, in denen für teure Journalismus kaum mehr Platz ist. Die andere Seite dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass Freiräume für neue Online-Lokalmedien entstehen – und für Journalisten, die Leidenschaft und nicht Gewinnstreben in diesen Beruf treibt.
Das wird aber für eine moderne Massengesellschaft nicht reichen. Wie ist unter diesen Bedingungen massenwirksamer hochwertiger Journalismus in der Breite noch möglich? Diese Frage lässt sich vielleicht in einigen Jahren ernsthaft diskutieren – dann wenn die letzten Selbsttäuschungen und Illusion in der Branche dahin sind, die Verleger aufgehört haben, ihr Privateigentum an Medien zur Voraussetzung von Demokratie und Freiheit zu erklären und die Politik wirklich begriffen hat, dass sie ohne das aufklärerische Potential eines professionellen, freiheitlichen Grundwerten verpflichteten Journalismus den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verliert.